Hessen hebt ab – Legenden live
Diese 8 Live-Momente in Hessen sind größer als jede Bühne – und viele behaupten bis heute, sie seien dabei gewesen.
Diese 8 Live-Momente in Hessen sind größer als jede Bühne – und viele behaupten bis heute, sie seien dabei gewesen.
Der coole Sound der 80s mit News, Wetter und Verkehr aus Hessen. Jetzt hier 80s80s Hessen einschalten.
Ob Burg, Stadion oder Tiefgarage – die größten Konzerte passieren selten dort, wo man sie erwartet. In den 80ern wurde Hessen zum heimlichen Hotspot für musikalische Ausnahmezustände. Zwischen Schulhöfen, Rock-Giganten und Nebelmaschinen entstanden Momente, die sich in das Gedächtnis einer ganzen Generation gebrannt haben.
Heute behaupten deutlich mehr Menschen, sie seien bei dieser verregneten Premiere dabeigewesen, als die Burg überhaupt fassen konnte – was ja oft ein Zeichen dafür ist, dass sich Legenden bilden. Das Line-up irgendwo zwischen Jazz-Rock, Polit-Punk und hessischem Kulturaktivismus, das Gelände eher romantisch als praktikabel, die Macher ahnungslos aber euphorisch – kurz: der perfekte Start für etwas Großes. Ein Festival, das mit der Kampfansage „Die Provinz schlägt zurück“ begann – und bis heute liefert. Denn heute ist das Open Flair ein mehrtägiges Festival mit über 20.000 Besucherinnen und Besuchern, internationalen Headlinern und einer treuen Community, die Jahr für Jahr nach Eschwege pilgert. Geblieben ist der Geist von damals: handgemacht, herzlich, ein bisschen wild.
Im Sommer 1982 standen die Rolling Stones für zwei Nächte in der Frankfurter Festhalle auf der Bühne – und noch heute spricht man im Rhein-Main-Gebiet ehrfürchtig vom „Stones-Wahnsinn“. Wer damals ein Ticket ergattern konnte, gehörte zu einer privilegierten Minderheit: Die Karten waren in kürzester Zeit ausverkauft, doch noch Wochen später kampierten Fans vor den Vorverkaufsstellen, in der Hoffnung, irgendwie doch noch reinzukommen.
Und obwohl offiziell nur rund 15.000 Menschen pro Abend in die Halle passten, sind es rückblickend gefühlt hunderttausend, die behaupten, dabei gewesen zu sein. Die Shows am 29. und 30. Juni waren Teil jener Phase, in der „Start Me Up“ überall aus den Radios schepperte und Keith Richards und Mick Jagger als unzerstörbares Rock’n’Roll-Duo ihre Arenen-Ehre verteidigten.
Das Besondere: Fast alle anderen Konzerte der Tour fanden in riesigen Fußballstadien statt, doch Frankfurt war eine Ausnahme. Hier spielten die Rolling Stones in der Halle – und das spürte man. Als bei „You Can’t Always Get What You Want“ tausende Kehlen den Refrain übernahmen und die Boxen für einen Moment übertönten, grinsten selbst die sonst so abgebrühten Rolling Stones.
Wohl eines der legendärsten Konzerte der hessischen Provinz. Die Schülervertretung der Limburger Tilemannschule hatte für ihr Schulfest im Jahr 1984 lokale Newcomerbands unter Vertrag genommen. Soweit so normal.
Eine dieser Bands waren die Rodgau Monotones, die bereits seit den späten 70ern durch Hessen tourten. Dann kam der eher unerwartete Durchbruch der Rodgau Monotones. Sie gingen mit "Die Hesse Komme" bis auf Platz 22 der Charts. Bundesweit.
Runtergebrochen auf Hessen war das ein gigantischer Erfolg. "Erbarmen - zu spät die Hesse komme!" wurde zum Schlachtruf eines Bundeslandes. Und jeder wolllte die Rodgau Monotones live erleben. Ein Auftritt beim einem Schulfest in der Provinz? Passte da nicht in den Promoplan der Band. Also Absage an die Tilemannschule.
Dort pochte der Vertrauenslehrer auf den unterschiebenen Vertrag. Also traten die Rodgau Monotones tatsächlich auf einem Schulfest auf. Eintritt: weniger als 5,- DM und ein Headliner, den ganz Deutschland kannte. Die Folge: Massenauflauf, Verkehrschaos und angeblich weit mehr als 10.000 Besucher in einem Gymnasium einer Kleinstadt. Wer dabei war, wird es nie wieder vergessen.
Das Konzert von Nitzer Ebb am 15. Dezember 1989 im Technoclub des Dorian Gray in Frankfurt am Main war Teil ihrer Belief-Tour. Der Technoclub war eine musikalische Nische im legendären Dorian Gray, einer Großraumdiskothek mit bis zu 6.000 Besuchern Kapazität, die als eine der Geburtsstätten der Technomusik und EBM-Szene in Frankfurt galt.
Aber genau da lag das Problem: Schon bei der Ankunft zweifelten die Fans, ob das Dorian Gray den Ansturm würde standhalten können. Die Schlange der Wartenden ging bis in das Terminalgebäude des Flughafens. Drinnen war es nicht besser. Die Frage war: wo sollte die Band um Douglas McCarthy denn spielen?
Dann die Ansage des Veranstalters: alle Besucher runter auf die untere Tanzfläche. Was? Da ist doch noch weniger Platz! Es wurde wirklich eng. Aber plötzlich wurden die Notausgangstüren aufgerissen und die EBM-Fans konnten ihren Augen nicht trauen: in der Flughafen-Tiefgarage war eine Bühne aufgebaut.
Es folgte eines der reinsten EBM-Konzerte aller Zeiten. Und Fans würden wahrscheinlich bis heute denken, sie hätten einen EBM-Fiebertraum gehabt, gäbe es nicht einen VHS-Mitschnitt vom ganzen Konzert.
27. August 1988, Waldstadion Frankfurt: Kurz vor 22 Uhr knistert der Abendhimmel in dampfiger Hitze, als Prince die Rundbühne betritt und mit „Alphabet St.“ die ersten Funk-Riffs in die Sommerluft wirft. Über der Menge liegt der Geruch von nassem Rasen und Sonnencreme – doch dann zieht eine Wolke heran, tropft erst zaghaft, dann in dichten, warmen Fäden. Die Scheinwerfer schalten auf Violett, das Wasser fängt das Licht, und plötzlich wirkt es, als riesele purpurner Glitter vom Himmel.
Prince dreht sich einmal um die eigene Achse, streckt die Gitarre nach oben und setzt zu den berühmten Akkorden an: „Purple Rain“ im Purple Rain. Fans reißen die Arme hoch, lassen sich nassregnen und singen jede Silbe, während der Regen wie weicher Vorhang zwischen Bühne und Tribüne fällt.
Später schwören viele, sie hätten ihn schweben gesehen, als er im Finale das Solo spielt – doch vielleicht war es nur das Licht im Regen. So oder so: Wer an diesem Abend im Waldstadion stand, erlebte nicht bloß ein Konzert, sondern einen Moment, in dem Wetter, Musik und Mythos nahtlos ineinanderflossen.
Am 2. Oktober 1989 standen Underworld in der Batschkapp auf der Bühne, und auch wenn die Halle längst nicht ausverkauft war, fühlte sich der Abend größer an, als es der Raum vermuten ließ. Die Band befand sich mitten in ihrer „Change the Weather“-Tour, doch das Publikum bekam mehr zu hören als nur Songs vom aktuellen Album.
Als „Underneath the Radar“ einsetzte, brach die Stimmung endgültig auf – der Talkbox-Loop, die Synths, dieser überlebensgroße Refrain: Alles explodierte in einem einzigen Pogo. Der nächste magische Schritt: Als Zugabe – so beiläufig wie selbstbewusst – spielten sie „Doot Doot“. Nicht als Cover, sondern als Rückgriff auf sich selbst. Auf Freur. Auf diese seltsam ätherische, beinahe schwebende Vergangenheit, die viele im Saal gar nicht einordnen konnten. Aber wer’s wusste, stand mit offenem Mund da. Es war der Moment, in dem klar wurde: Diese Band war so viel mehr als Pogo.
Und da es der zweite und somit vorläufig letzte Auftritt der Band war, versuchte Karl Hyde ein Experiment. Eine Polonaise zum A capella-Gesang "Superpower". Und Alle machten mit, wie bei einem Snake-Spiel zog sich die Schlange der Besucher durch die Batschkapp. Unvergesslich.
Es war mehr als ein Konzert. Es war eine Kampfansage mit Stromgitarren, eine politische Demonstration im Takt von Krautrock und Punk, ein Aufstand der Jugend gegen das, was sich da leise, aber bedrohlich wieder an den Rand der Gesellschaft schob.
Mitte Juni 1980 versammelten sich rund 56 000 Menschen auf dem Rebstockgelände in Frankfurt – eine bunte, entschlossene Menge aus Schülerern, Gewerkschaftsjugend, Kirchenleuten, Autonomen, langhaarigen Rockfans, WG-Bewohnerinnen aus dem Nordend und jungen Antifas mit Bierdose und Button. Ihr gemeinsames Ziel: ein klares Signal gegen die extreme Rechte zu setzen, die sich trotz magerer Wahlergebnisse lautstark zurück in die Öffentlichkeit drängte.
Die NPD versuchte regelmäßig in Frankfurt ihre Aufmärsche durchzuziehen. Immer wieder gingen Gerichte durch, immer wieder mussten Gegendemonstrationen hart erkämpft werden. Die Stimmung war angespannt. An diesem Wochenende im Juni gehörte das Rebstockgelände nicht den Rechten, sondern der Musik.
Die Strassenjungs bellten ihren Dialektrock in die Menge, Guru Guru zerlegten mit verqueren Improvisationen die letzten Harmonievorstellungen, zwischendurch gab’s Reden, Transparentstangen, Pfeifen, Klatschen – und das tiefe Gefühl, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Wer dabei war, erinnert sich an politische Entschlossenheit, an flirrende Sommerluft und an das unglaubliche Gefühl von Gemeinschaft. Wer nicht dabei war, behauptet es bis heute trotzdem.
Es war ein Samstagabend im Herbst, aber in der Batschkapp herrschte Endzeitstimmung. Nicht im negativen Sinn – sondern so, wie sie nur Fields of the Nephilim heraufbeschwören konnten: düster, monumental, geradezu überirdisch.
Schon lange vor dem ersten Gitarrenanschlag waberten Nebelschwaden durch den Raum, als hätte die Vorhölle das Nordend eingenebelt. Die Band hatte ihre eigenen Maschinen mitgebracht – viel zu mächtig für den kleinen Club. Der Effekt war spektakulär: Man sah kaum die eigene Hand, aber jede Silhouette auf der Bühne wurde zum Schattenwesen.
Als Carl McCoy mit staubgrauem Cowboy-Hut aus dem Nebel trat, schrie der Saal, als käme der Prediger persönlich. Die Musik begann nicht einfach – sie wuchs. Stücke wie „Celebrate“, „Moonchild“ und „Love Under Will“ rollten wie Wellen über das Publikum hinweg.
Tony Pettitts Bassläufe drückten auf die Eingeweide. Irgendwann begannen Fields of the Nephilim „Last Exit for the Lost“ zu spielen. Und während sich das Intro langsam aufbaute, geschah das Unfassbare: In der Mitte des Saals begannen ein paar Fans, sich auf die Schultern zu klettern, einander hochzuhelfen, Pyramiden zu bauen – keine Pogowelle, kein Moshpit, sondern so etwas wie ein dunkles, kollektives Ritual.
Unten Schwitzen, oben Anbetung. Alles für die Musik der Fields of the Nephilim. Das Ritual war geboren - und würde sich mit dem Album „Elizium“ festigen, auch weil die Songs spiritueller und atmosphärischer wurden.
Was auf den ersten Blick nach Provinz klang, entpuppte sich als Schmelztiegel für Musikgeschichte: wild, widersprüchlich, unvergesslich. Ob Festival-Mythos im Dauerregen, Stones im Stadionformat oder düsterer Kult in der Batschkapp – wer dabei war, trägt diesen Sound bis heute im Herzen. Und wer nicht dabei war, behauptet es trotzdem.