Michael Jackson "Billie Jean"

Los Angeles 1982. Michael Jackson steht im Aufnahmeraum des Westlake Studios A vor dem Mikrofon. Ihm Gegenüber, getrennt von einer akustisch abgekoppelten Glasscheibe, sitzen Toningenieur Bruce Swedien und Produzent Quincy Jones. Gleich wird Michael Jackson den perfekten Take für den größten Hit seiner Karriere einsingen… 

Wenn man im Rampenlicht steht, wird man geliebt, angehimmelt und im Falle von Michael Jackson bisweilen auch vergöttert. Doch was dem Musiker-Ego am Anfang noch schmeichelt, wird oft schnell zum Fluch: Spätestens, wenn die Begeisterung fanatisch wird. Bei Michael Jackson war das nicht anders. So psychisch belastend solche Stalking-Geschichten auch sind, sie sind auch der Stoff, aus dem Hits gemacht werden. Die Liste der Songs über ungewollte Verehrer und Verehrerinnen ist lang. Von Cheap Trick mit "I Want You To Want Me" … bis zum vermeintlichen Kuschel-Klassiker, "Every Breath You Take" von The Police.

Doch Michael Jacksons "Billie Jean" ist nicht nur der erfolgreichste Popsong zu dem Thema - es ist Michael Jacksons erfolgreichster Song aller Zeiten. Als Michael Jackson das Lied 1982 für das Thriller-Album einsingt, ist er kurz davor, zum größten Popstar der Musikgeschichte zu werden. Auch wenn er zu diesem Zeitpunkt erst 24 Jahre jung ist, hinter ihm liegt schon ein ganzes Musikerleben. 

Denn bereits mit sechs Jahren startete er mit seinen Brüdern die erste Band, aus der schließlich die Jackson Five wurden. 1971 dann, Michael Jackson war mittlerweile 13, begann er zusätzlich noch eine Solokarriere.  

Michael Jackson war natürlich schon mit den Jackson Five erfolgreich. Und auch seine Solokarriere lief bis dahin wirklich gut. Doch erst "Billie Jean" machte Michael Jackson zum Pop-Superstar. Was macht diesen Song zu Michael Jacksons absolutem Meisterwerk? 

Da ist zum einen der bereits erwähnte Text. Es geht um eine Stalkerin namens Billie Jean, die behauptet, die Geliebte des Protagonisten zu sein und ein Kind von ihm bekommen zu haben. Dieser streitet beides ab. Produzent Quincy Jones sagt, diese Frau gab es wirklich. Sie habe behauptet, dass Michael Jackson der Vater von einem ihrer Zwillinge sei - wie auch immer sowas biologisch möglich sein solle. 

Michael Jacksons Biograf J. Randy Taraborelli zufolge, war eine geistig erkrankte Stalkerin Vorbild für die Frau im Song. 1981 soll sie mit ihren Briefen dafür gesorgt haben, dass Michael Jackson Alpträume hatte.  

Und dann ist da noch Michael Jacksons eigene Version. In seiner Autobiografie "Moonwalk" erklärt er, dass Billie Jean eine fiktive Figur war. Die habe er sich ausgedacht, um mehrere Stalking-Erlebnisse musikalisch zu verarbeiten. 

Wie auch immer der Text zustande kam: Er ist zweifelsohne eingängig und großartig. Aber er ist sicherlich nicht der alleinige Grund dafür, dass "Billie Jean" so ein erfolgreicher Song war. Denn der Song prägte Anfang der 80er einen völlig neuen Sound. 

Michael Jackson und sein Produzent Quincy Jones gingen damals auch bei der Aufnahme und Produktion ganz neue Wege. Produzent Quincy Jones wollte damals etwas Neues. Von seinem Toningenieur Bruce Swedien forderte er nicht weniger als einen Drumsound, den man so noch nicht gehört hatte. Bruce Swedien nahm daraufhin für "Billie Jean" ein normales Schlagzeug so auf, dass es sich ein bisschen wie ein Drumcomputer anhört. Deshalb dauert es auch keine 2 Sekunden, bis man den Song erkennt – und dass, obwohl am Anfang außer dem Schlagzeug nichts zu hören ist… 

Als nächstes kommt der Bass dazu. Die hypnotische Basslinie bildet das Herzstück von "Billie Jean" und läuft fast den ganzen Song unverändert durch. Und auch hier ist der Sound einzigartig: Bruce Swedien nahm zunächst einen normalen elektrischen Bass auf… und hat dann dazu noch einen Synthesizer Bass drüber gelegt… Über die Drums und die immer gleich pulsierende Basslinie kommen wechselnde Akkorde auf dem Synthesizer… Und in der Bridge zum Refrain dann auf einmal klassische Streicher: Geige, Violine und Cello - dramatisch… Und dann ist da noch eine funky Gitarre, die den Dancegroove untermalt… 

Was für ein geniales Stück Musik – auch ganz ohne Gesang! 

Fehlt nur noch … Jacksons Gesang. Erst, wenn man die Gesangsspur einzeln hört, wird deutlich, was für ein außergewöhnlicher Sänger Michael Jackson war. Er trifft jeden Ton perfekt, singt staccatohaft genau in die Lücken zwischen den Instrumenten und benutzt selbst das Luftholen als musikalisches Ausdrucksmittel. Und um genau im Rhythmus zu bleiben, schnipst er während der Aufnahmen mit den Fingern … 

Jeder andere Produzent hätte das nicht in der Aufnahme gewollt. Quincy Jones schon, denn es ist ein weiteres Detail, was "Billie Jean" zu einem Meisterwerk macht.  

Wenn man das alles hört, wundert es auch nicht mehr, dass Perfektionist Quincy Jones seinen Toningenieur "Billie Jean" ganze 91-mal abmischen ließ, bis er endlich mit dem Mix des Songs zufrieden war. Es hat sich gelohnt. 

"Billie Jean" sprengte alle Rekorde: Die Single verkaufte sich weltweit 12 Millionen mal und wurde Michael Jacksons erfolgreichster Song. 1984 wurde Michael Jackson dafür mit zwei Grammys ausgezeichnet - als beste männliche Gesangsdarbietung und als bester R&B Song. Und das Video… es war das erste eines farbigen Künstlers, das es auf dem Musiksender MTV in die Hot Rotation schaffte und so weltweit einem Riesenpublikum erreichte. 

Jahr: 1983
Länge: 04:43
Album: This Is It
Label: Epic