Stephen Luscombe von Blancmange (1984)
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Stephen Luscombe von Blancmange (1984)
15.09.2025

Der Klangarchitekt von Blancmange ist tot

Mit Stephen Luscombe verliert die Popwelt einen stillen Visionär – sein Synth-Zauber machte Blancmange zu einer der prägendsten Bands der 80er.

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Wie prägte Stephen Luscombe den Sound von Blancmange?

Was bedeutet sein Tod für das Erbe der 80er-Band?

Stephen Luscombe, Mitbegründer und Keyboarder der britischen Synthpop-Band Blancmange, im Alter von 70 Jahren gestorben. Mit seinem Tod verliert die Welt einen Musiker, der nie laut, aber immer prägend war. Zusammen mit Neil Arthur formte Stephen Luscombe ab Ende der 1970er einen Sound, der nicht nur typisch für die frühen Achtziger war, sondern diesen entscheidend mitgeprägt hat. Blancmange standen für einen hochmelodiösen, zugleich experimentierfreudigen Stil, für elektronische Popmusik, die sowohl in die Clubs passte als auch in die Wohnzimmer der Popfans. Dass diese Musik heute noch immer gespielt wird, liegt auch daran, dass Stephen Luscombe früh verstand, wie man Emotion und Künstlichkeit miteinander verschmelzen lässt, ohne dass je eine Seite die andere verdrängt.

Blancmange (1984)
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Blancmange (1984)

Wie aus zwei Kunststudenten Blancmange wurde

Stephen Luscombe wurde 1954 in Hillingdon bei London geboren. Später besuchte er die Harrow School of Art, wo er Neil Arthur kennenlernte. Die beiden verband zunächst keine große Karriereplanung, sondern eine gemeinsame Faszination für Klang. Sie begannen, mit Küchenutensilien, Dosen und billigen Synthesizern Geräuschcollagen zu bauen. Als sie sich 1979 entschieden, ein Duo zu gründen, nannten sie sich Blancmange – nach einem britischen Dessert. Es war ein ironischer, beinahe absurder Name, der perfekt zur unprätentiösen Haltung von Stephen Luscombe passte. Er wollte keine Marke sein, er wollte Klangwelten schaffen. Und genau das gelang ihm: Aus den ersten Lo-Fi-Demos entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit ein eigenständiger Stil, in dem sich verspielter Pop und avantgardistische Klangideen gegenseitig befeuerten.

Die Explosion der Farben: Blancmange in den 1980ern. Die ersten Erfolge stellten sich rasch ein. 1981 erschien der Song „Sad Day“ auf der Compilation „Some Bizarre Album“, auf der auch Depeche Mode und Soft Cell vertreten waren. Ein Jahr später veröffentlichten Stephen Luscombe und Neil Arthur ihr Debütalbum „Happy Families“, das mit dem Hit „Living on the Ceiling“ den Durchbruch brachte. Der Song, in dem Stephen Luscombe indische Instrumente wie Tabla und Sitar in elektronische Popmusik einbettete, wurde zum Markenzeichen des Duos. Dieser Klang war für die damalige Zeit revolutionär – während andere Synthpop-Bands eher kühl und minimalistisch klangen, schuf Stephen Luscombe eine farbenfrohe, schillernde Welt. Auch „Waves“ und „Feel Me“ zeigten, dass Blancmange nicht nur Tanzflächen bedienen, sondern auch große Emotionen transportieren konnten.

Mit dem zweiten Album „Mange Tout“ von 1984 festigten Stephen Luscombe und Neil Arthur ihren Ruf als eine der innovativsten Bands der britischen New-Wave-Szene. „Blind Vision“ und das ABBA-Cover „The Day Before You Came“ wurden Hits, die den eigenwilligen, dennoch zugänglichen Charakter von Blancmange perfekt auf den Punkt brachten. Stephen Luscombe schuf mit seinen Synthesizerflächen den Rahmen, in dem Neil Arthurs Stimme ihre volle Wirkung entfalten konnte. „Mange Tout“ brachte Blancmange bis in die Top 10 der UK-Charts und machte Stephen Luscombe zu einem der prägenden Keyboarder der Achtziger. Das dritte Album „Believe You Me“ erschien 1985. Es klang glatter, opulenter und weniger verspielt – und markierte das Ende der klassischen Phase von Blancmange. Der kommerzielle Erfolg ließ nach, und 1986 beschlossen Stephen Luscombe und Neil Arthur, getrennte Wege zu gehen. Für Stephen Luscombe war es ein notwendiger Bruch, um sich neu zu erfinden, auch wenn er nie aufhörte, Musik zu machen.

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Blancmange – Don’t Tell Me (Official Video)
Blancmange – Don’t Tell Me (Official Video)

Rückzug, Krankheit und eine späte Rückkehr

Nach der Trennung von Blancmange arbeitete Stephen Luscombe unter anderem mit dem Projekt West India Company weiter und vertiefte seine Leidenschaft für indische Musik. Doch die Magie von Blancmange ließ ihn nie los. Als 2006 eine erste Compilation die alten Songs zurück ins Bewusstsein brachte, fanden Stephen Luscombe und Neil Arthur wieder zusammen. 2011 veröffentlichten sie mit „Blanc Burn“ ein neues Studioalbum – es war ein verspätetes Comeback, das zeigte, wie gut die Chemie der beiden immer noch funktionierte. Doch kurz nach der Veröffentlichung musste sich Stephen Luscombe aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen.

Seither führte Neil Arthur die Band allein fort, veröffentlichte zahlreiche weitere Alben und arbeitete mit wechselnden Partnern. Doch Stephen Luscombe blieb immer Teil des Fundaments – in Interviews betonte Neil Arthur immer wieder, dass alles, was Blancmange ausmache, aus der Anfangszeit mit Stephen Luscombe stamme. Der Sound, die Ästhetik, der Mut zum Experiment – all das sei ohne ihn nicht denkbar. „Stephen war derjenige, der nie Angst hatte, etwas völlig anderes zu probieren“, sagte Neil Arthur einmal: „Diese Angstlosigkeit ist bis heute in unserer Musik spürbar.“

Die unterschätzte Größe. Heute gilt Blancmange als eine der unterschätztesten Electronic-Bands der Achtziger. Das liegt auch daran, dass Stephen Luscombe nie die Öffentlichkeit suchte. Während viele Zeitgenossen das Rampenlicht suchten, arbeitete er lieber im Hintergrund an Klangfarben, Layern und Strukturen. Doch sein Einfluss auf die britische Popmusik ist unüberhörbar. Blancmange verbanden Eingängigkeit mit künstlerischer Tiefe, Pop mit Avantgarde – und genau diese Kombination ist es, die sie von anderen Synthpop-Bands jener Zeit unterscheidet. Dass Songs wie „Living on the Ceiling“ und „Blind Vision“ auch vierzig Jahre später noch regelmäßig im Radio laufen, ist ein Beweis für die zeitlose Qualität von Stephen Luscombes Arbeit.

Für Neil Arthur war der Tod von Stephen Luscombe ein tiefer Einschnitt. In einem Statement erklärte er: „Ohne Stephen hätte es Blancmange nie gegeben. Alles, was Blancmange war und ist, begann mit ihm. Ich verdanke ihm alles.“ Es ist ein schlichtes, aber ergreifendes Bekenntnis – und es bringt auf den Punkt, wie groß der Verlust ist, den dieser Tod für Blancmange bedeutet.

Mit dem Tod von Stephen Luscombe endet endgültig das Kapitel der ursprünglichen Blancmange. Doch seine Musik bleibt. In jedem Song, den Neil Arthur heute veröffentlicht, klingt noch ein Echo der frühen Zusammenarbeit. In den leuchtenden Synthflächen von „Blind Vision“, im exotischen Funkeln von „Living on the Ceiling“, in der melancholischen Schönheit von „Waves“ lebt Stephen Luscombe weiter. Er war nie laut, nie aufdringlich, nie ein Star im klassischen Sinne. Aber er war einer der großen Klangvisionäre seiner Zeit – und ohne ihn würde die Popgeschichte der Achtziger ganz anders klingen.

Stephen Luscombe hat Blancmange erschaffen – und damit einen unverwechselbaren New Wave-Sound geschaffen. Es wird nun Zeit, dass seine Band endlich die Anerkennung bekommt, die sie seit den 80ern verdient!

Blancmange - Waves (Official Video)

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