Berlin - 6. Juni 1987 Tausende Fans warten vor dem Berliner Reichstag auf ein Konzert von David Bowie
IMAGO / Peter Homann
Berlin - 6. Juni 1987 Tausende Fans warten vor dem Berliner Reichstag auf ein Konzert von David Bowie
30.08.2025

Happy Birthday, Mauerkonzerte!

Vor 45 Jahren spielten Barclay James Harvest ihr legendäres Gratiskonzert vor dem Reichstag. Ein Zufall machte daraus den Startschuss für ein ganzes Genre – von David Bowie bis Michael Jackson.

Herbert Grönemeyer mit Mambo (Live - Live auf Chaos-Tour 1993/1994)

LIVE

LIVE

Ein eigenes Radio für die besten Liveversionen der 80er HitsDie großen Live-Momente der 80er - als eigenes Radio. Hier gibt es keinen perfekten Studiosound sondern wilde Bühnenmomente. 


Es läuft:
Herbert Grönemeyer mit Mambo (Live - Live auf Chaos-Tour 1993/1994)

Wann spielten Barclay James Harvest ihr legendäres Mauerkonzert vor dem Reichstag in Berlin?

30. August 1980. Vor genau 45 Jahren. Der Himmel über Berlin ist warm und golden, ein später Sommerabend, wie er schöner kaum sein könnte. Der Platz der Republik ist bis zum Rand gefüllt. Tausende Gesichter, viele davon sonnenverbrannt, blicken gebannt zur Bühne. Hinter ihnen ragt der Reichstag auf – und dahinter, kaum sichtbar aber umso präsenter: die Mauer. Die Teilung.

Aus riesigen Lautsprechertürmen klingt sanft, fast verträumt: „Life is for Living“. Es ist nicht irgendeine Band, die da spielt. Es ist Barclay James Harvest – eine britische Artrock-Institution mit riesiger Fanbasis in Deutschland. Was sie an diesem Abend tun, ist mehr als ein Gratiskonzert. Es ist ein politisches, kulturelles und emotionales Statement. Und es ist das erste große Popkonzert, das direkt an der Berliner Mauer stattfindet – bewusst in Hörweite der DDR.

Die legendäre und erfolgreichste Besetzung der Progressive-Rockband Barclay James Harvest mit John Lees, Les Holroyd und Mel Pritchard , aufgenommen backstage vor ihrem legendären Open Air Konzert   im Treptower Park in Ost-Berlin am 14.Juli 1987
IMAGO / Andreas Weihs
Die legendäre und erfolgreichste Besetzung der Progressive-Rockband Barclay James Harvest mit John Lees, Les Holroyd und Mel Pritchard , aufgenommen backstage vor ihrem legendären Open Air Konzert im Treptower Park in Ost-Berlin am 14.Juli 1987

Warum Berlin? Warum kostenlos?

Die Idee entstand eher spontan. Barclay James Harvest waren auf Europatournee, doch Berlin fehlte im Tourkalender. Kein Veranstalter hatte die Stadt auf dem Zettel – zu teuer, zu kompliziert. Die Band, allen voran Gitarrist und Sänger John Lees, wollte das nicht akzeptieren. Er habe immer das Gefühl gehabt, dass die Berliner Fans etwas Besonderes seien. Eingeschlossen, loyal, emotional: „Wir wollten einfach Danke sagen – und ein Konzert für sie spielen, ganz ohne Eintritt.“

Doch dahinter steckte mehr. John Lees hatte eine Vision: Ein Konzert, das von der einen Seite der Mauer zur anderen klingt. Musik als Brücke: „In Berlin zu spielen war für uns auch ein Statement. Unsere Musik sollte Freiheit transportieren. In einer Stadt, die eingemauert war, bekam das eine ganz neue Bedeutung.“

Barclay James Harvest nahmen sogar einen Song extra für den Abend auf: „In Memory of the Martyrs“ – eine melancholische Ballade, die jenen gewidmet ist, die bei der Flucht über die Mauer ihr Leben verloren. Doch bevor das Konzert stattfinden konnte, war Überzeugungsarbeit nötig. Die Konzertagentur verhandelte monatelang mit der Reichstagsverwaltung. Der Platz vor dem historischen Gebäude war sensibel, Sicherheitsfragen ein Dauerbrenner. Schließlich aber gab es grünes Licht – und die Vorbereitungen begannen.

Die Bühne wurde direkt auf dem Platz der Republik aufgebaut, die Mauer gut 200 Meter entfernt. 250 Reisebusse aus der ganzen Bundesrepublik rollten an. Es war das größte Konzert, das West-Berlin je gesehen hatte. Die Berliner Polizei sprach später zurückhaltend von über 175.000 Zuschauer, andere Schätzungen gingen von bis zu einer Viertelmillion aus.

Doch der eigentliche Clou: Auf der Ostseite, zwischen Bäumen und Büschen am Spreebogen, lauschten Hunderte mit Kofferradios und Ferngläsern. Die Musik von Barclay James Harvest ging tatsächlich über die Mauer. Die DDR-Grenzorgane versuchten zu stören – verhafteten laut späteren Berichten mindestens 40 Jugendliche, die zu nah an die Grenzlinie gingen.

Ideal - Berlin (Rockpop In Concert 1982)
Ideal - Berlin (Rockpop In Concert 1982)

Ein Zufall mit Popwirkung: Die Tagesschau zeigt Ideal

Die Organisatoren des Konzerts hatten ein Timing-Problem, das sich später als Glücksfall für die Vorgruppe entpuppte: Barclay James Harvest wollten erst um 20:00 Uhr die Bühne betreten. Doch die Tagesschau lief wie immer um 19:00 Uhr – und brauchte aktuelle Bilder vom Großereignis vor dem Reichstag. Weil Barclay James Harvest zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht spielten, filmte man kurzerhand die Vorband Ideal – und baute deren Auftritt in den TV-Beitrag ein. Als der Sprecher erklärte, dass auf beiden Seiten der Mauer tausende Menschen mitlauschten, war im Hintergrund „Ich steh auf Berlin“ zu hören. Ein kurzer Moment in der Tagesschau – und Ideal waren mit einem Mal bundesweit bekannt.

Berlin, Deutschland. Überreste der alten Berliner Mauer entlang des historischen Mauerweges.
  Thomas Nuehnen
Berlin, Deutschland. Überreste der alten Berliner Mauer entlang des historischen Mauerweges.

Kulturkampf an der Grenze

Die DDR reagierte alarmiert. Der Grenzstreifen rund um das Barclay James Harvest-Konzert wurde kurzfristig weiträumig abgeriegelt. Trotzdem gelang es vielen, sich mit kleinen Kofferradios an die Mauer zu schleichen.

Ein Bericht des Ministeriums für Staatssicherheit sprach von einer „provokativen Machtdemonstration westlicher Rockmusik“. Westlicherseits war die Wirkung umgekehrt: Die Symbolik dieses Abends war so stark, dass schon bald ein neues Label entstand: Mauerkonzert.

Die Energie der Fans war so aufgeladen, dass viele in der Band später vom emotionalsten Gig ihrer Karriere sprachen.

„All diese Menschen vor dem Reichstag zu sehen – und zu wissen, dass auf der anderen Seite noch mal Tausende standen, das war ein Schock. Im positiven Sinn.“ – John Lees

Zwei Jahre später erschien der Mitschnitt des Abends als Live-Album: „Berlin – A Concert for the People“ Die Platte war ein voller Erfolg: Platz 1 in Deutschland, über 250.000 verkaufte Einheiten, Goldstatus für Barclay James Harvest.

Heute schon für den 80s80s Countdown abgestimmt?

Reichstag in Berlin
Nikada via Getty Images
Reichstag in Berlin

Die Signalwirkung: David Bowie, Genesis & Co. folgen dem Ruf an die Mauer

Was Barclay James Harvest da angerichtet hatten, sprach sich schnell herum. Der Platz vor dem Reichstag wurde zum Sehnsuchtsort. Schon 1987 kam David Bowie – für seine legendäre Show.

Auch Genesis, Pink Floyd und Michael Jackson wollten das „Mauerfeeling“ für sich nutzen. West-Berlin wurde pophistorisch aufgeladen – und die DDR sah dem hilflos zu.

Barclay James Harvest - Alone In The Dark (Live) (Treptower Park, Berlin 1987)
Barclay James Harvest - Alone In The Dark (Live) (Treptower Park, Berlin 1987)

Ein zweiter Auftritt – diesmal im Osten

Sieben Jahre nach dem Mauerkonzert durften Barclay James Harvest dann tatsächlich in der DDR spielen: 1987 im Treptower Park, beim Festival des politischen Liedes. 170.000 Menschen kamen – doch „In Memory of the Martyrs“ blieb im Westen. Der Song war nicht genehmigt. Kein Wunder. Denn was am 30. August 1980 passiert war, war mehr als ein Konzert. Es war ein Ereignis, das Pop, Politik und Poesie miteinander verschmolz. Barclay James Harvest spielten vor dem Reichstag – und sendeten ein Zeichen an beide Seiten der Mauer.

Und ganz Deutschland merkte vor 45 Jahren: Rockmusik kann Geschichte schreiben.

Barclay James Harvest - Life Is For Living

Barclay James Harvest - Life Is For Living (From "Berlin - A Concert For The People")
Barclay James Harvest - Life Is For Living (From "Berlin - A Concert For The People")

NEU: Peters Popstories - der Podcast!

80s80s Countdown

Stimme für Deine 5 Favoriten und schicke so Deine Lieblingssongs zurück ins Radio.

Das Ergebnis aller Votings hörst Du ab sofort jeden Sonntag von 12 bis 15 Uhr im 80s80s Countdown – auf 80s80s Real 80s Radio.

80S80S COUNTDOWN
80S80S COUNTDOWN
80S80S COUNTDOWN
80S80S COUNTDOWN