Vom Erdbeermund zu Grammophon-Lesungen
In Deutschland war er gemeinsam mit Torsten Fenslau ein Urvater des Technos - jetzt ist er Musikkabarettist. Die wundersame Reise des Jo van Nelsen.
In Deutschland war er gemeinsam mit Torsten Fenslau ein Urvater des Technos - jetzt ist er Musikkabarettist. Die wundersame Reise des Jo van Nelsen.
Von Acid-House über New Beat und Synthie Pop bis Detroit. 80s80s TECHNO ist eine Zeitreise in das erste Jahrzehnt der Technomusik.
Um zu verstehen, was in den späten 80ern auf den Dancefloors passierte, eignet sich exemplarisch die Gruppe Out Of The Ordinary. Gegründet vom DJ Torsten Fenslau in Frankfurt. 1988 veröffentlichten Out Of The Ordinary den Song "The Dream" mit den legendären Texten von Martin Luther King Jr.
"The Dream" wurde in der aufkeimenden Technoszene ein richtiger Hit, natürlich insbesondere in den Clubs im Großraum Frankfurt am Main, wo diese Musik vor der Wende ihren Ursprung hatte (link: die-hausmaenner-der-80er . Der Out Of The Ordinary-Gründer Torsten Fenslau war zudem DJ im Dorian Gray in Frankfurt. Dort war er mit Talla 2XLC und Sven Väth einer der großen Treiber der neuen Techno-Musik. Mit "The Dream" hatte Torsten Fenslau dann auch Blut geleckt: er wollte mehr. Einen richtigen Hit. Dafür gründete er mit Jens Zimmermann und Peter Zweier eine neue Band: Culture Beat.
Dass Culture Beat in den frühen 90ern ganz, ganz oben in den Charts mitmischen würde, war Ende der 80er noch kaum denkbar. Man hätte fast das Gegenteil annehmen können: der innovative New Wave-Sound war aus den Charts verdrängt. Elektronische Musik hatte es im Mainstream zu dieser Zeit sogar eher schwer. David Hasselhoff, Robin Beck, Roxette und die Bangles waren an der Spitze. Torsten Fenslau spürte also mit seiner ersten Culture Beat-Single wenig Rückenwind durch den Zeitgeist. Im Hochsommer 1989 erschein dann "Der Erdbeermund" von Culture Beat featuring Jo van Nelsen.
Dabei war die Veröffentlichung von "Der Erdbeermund" eine schwere Geburt gewesen. Zwar waren die Musik relativ flott aufgenommen worden, der Culture Beat-Songwriter Nosie Katzmann hatte aber mit dem Text so seine kleinen Herausforderungen. Torsten Fenslau hatte ja schon mit "The Dream" gezeigt, dass es genügen könne, auf klassische Texte zurückzugreifen. Und so kam es, dass ein Text von Klaus Kinski verwendet wurde: dessen Lesung von "Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund" von Paul Zech aus dem Jahr 1930. Culture Beat hatten wohl dann doch etwas Sorge vor einem Streit mit Klaus Kinski und entschieden sich für eine Neuaufnahme.
"Der Erdbeermund" verpasste dann 1989 tatsächlich nur knapp die Top 10 in Deutschland. Für Culture Beat ein unerwartet großer kommerzieller Erfolg. Die internationale Version "Cherry Lips" verkaufte sich auch gut. Der 1968 geborene Jo van Nelsen wurde zum Star, seine Buchhändlerlehre brach er ab.
Aber Jo van Nelsen orientierte sich beruflich anders, als sein Engagement bei Culture Beat vermuten ließ. Es zog ihn zum Theater. Er nahm eine Stelle Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main an. Statt weiter in den Charts aktiv zu sein, arbeitet Jo van Nelsen an seiner Sprechtechnik und unternahm Stimmtraining. Noch im selben Jahr stand er mit einem Chansonprogramm auf der Bühne.
Aktuell ist Jo van Nelsen mit "frivolen Chansons" auf Tour. Und einer "Grammophon-Lesung". Der Schellackplatten-Sammler Jo van Nelsen nimmt dabei die Zuschauer auf eine Zeitreise, er nennt es "einen Ausflug in pompöse Tanzsäle und verruchte Flüsterkneipen".
Dass es mit Culture Beat in den 90ern in eine ganz andere Richtung ging, ist allgemein bekannt. "Mr. Vain" ging 1993 in fast 20 Ländern auf Platz eins der Charts. Torsten Fenslau konnte diesen irrsinnigen Erfolg nicht lange genießen, er starb schon wenige Wochen später bei einem Autounfall. 17 Jahre nach der Einführung der allgemeinen Gurtpflicht hatte Torsten Fenslau auf das Anlegen des Sicherheitsgurts verzichtet, der sein Leben hätte retten können. Seine angeschnallte Beifahrerin wurde nur leicht verletzt.
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