The Cure "Boys Don't Cry"
Manchmal braucht auch ein Popsong Zeit zum Reifen... so wie ein guter Wein. So lagen zwischen der ersten und der zweiten Version von “Boys Don´t Cry” rund sieben Jahre.
Manchmal braucht auch ein Popsong Zeit zum Reifen... so wie ein guter Wein. So lagen zwischen der ersten und der zweiten Version von “Boys Don´t Cry” rund sieben Jahre.
Robert Smith ist ein musikbegeisterter Teenie. Er wächst im britischen Provinz-Städtchen Crawley südlich von London auf. Und in seiner Kindheit gibt es tausend Regeln: Beim Essen schmatzt man nicht, die Schuluniform muss immer gut gebügelt sein, Erwachsene spricht man gefälligst immer mit “Sir” oder “Madame” an – und dann noch der schlimmste aller Sprüche: “Jungen weinen nicht”.
Konservativ und steif: Das ist also die Familie, in der Robert Smith in den 60ern aufwächst. Er geht auf die streng katholische “Notre Dame”-Highschool in West Sussex. Da gibt´s ein paar Kirchen, ein, zwei Plattenläden, zum Glück einen Bahnanschluss nach London und ansonsten viele moderne Bausünden. Das war´s. Alles ziemlich grau und trist.
Allerdings ist die Familie musikalisch: Der Vater singt, die Mutter spielt Piano. Und als seine jüngere Schwester mit Klavierspielen anfängt, hat der junge Robert Smith keine Lust auf einen Konkurrenz-Wettbewerb unter Geschwistern. Kurzentschlossen wechselt er von den Tasten zur Gitarre.
Er perfektioniert sein Können als Mitglied seiner eigenen Band namens Easy Cure. Nach etlichen Auftritten in Clubs, Kneipen und auf kleineren Bühnen geht es dann 1978 richtig los. Plattenvertrag! Der Band-Name wird ganz griffig zu The Cure und die erste Single kommt raus: “Killing An Arab”.
“Ich bin der Fremde, der einen Araber tötet” - keine Frage, dass The Cure wegen des Textes Ärger kriegen. Das Lied bezieht sich auf einen Roman von Albert Camus - “L Étranger” - also “Der Fremde” - und Robert Smith gibt später zu, dass er sich das Buch wohl nicht gut genug durchgelesen hat...
Aber frei nach dem Motto: “Any press is good press” machen The Cure damit jede Menge Schlagzeilen. Für Robert Smith ist die Musik und die Bühne dabei auch ein Raum, in dem er genau das machen darf, was ihm jahrelang verboten wurde: Gefühl zeigen.
Viele Jahre später sagt Robert Smith in einem Interview: “Als englischer Junge wurde man damals dazu ermuntert, seine Gefühle überhaupt nicht zu zeigen. Ich konnte aber nicht anders, ich musste ständig meine Gefühle rauslassen – sonst wäre man ja auch ein ziemlich langweiliger Sänger.”
Aus diesem Gefühl entsteht ein Lied. Robert Smith schreibt es zusammen mit seinen Bandkollegen Michael Dempsey und Lol Tolhurst. Es handelt von einem Mann, der es aufgegeben hat, eine verlorene Liebe zurückzugewinnen, und versucht, seinen wahren Gefühlszustand zu verschleiern: “Boys dont cry”.
Mitte 1979 erscheint der Track. Robert Smith ist damals gerade mal 20 Jahre alt. Auf dem Cover eine Armee behelmter Soldaten in Schwarzweiß vor einem farbigen Hintergrund. The Cure erwartet einen Riesen-Hit. Das muss der Durchbruch von The Cure werden, Top 10 … mindestens! Und ihre Plattenfirma glaubt ebenfalls, dass der Song ganz groß wird.
Doch in den offiziellen britischen Single-Charts im Sommer 1979 stehen Supertramp und ihr “Breakfast in America”, die Sex Pistols, Chic und ganz oben … die Boomtown Rats mit “I Don't Like Mondays”. Von The Cure und ihrem vermeintlichen Superhit… keine Spur. In Großbritannien taucht der Song gar nicht in den Charts auf, in Australien schaffen sie es auf Platz 99. Angesichts der großen Erwartungen also ein richtiger Flop.
Vielleicht hat das Label zu wenig Promo gemacht, vielleicht ist es doch eher ein Live-Song? Die Enttäuschung ist groß.
Doch The Cure haben nicht viel Zeit für Trübsal. Denn mit dem Anbruch der 80er startet die Erfolgsstory von The Cure - mit Songs wie “Caterpillar”, “Close to me” und “Love Cats” sind sie nicht nur in ihrer Heimat, sondern auch in vielen anderen Ländern erfolgreich...
Mitte des Jahrzehnts sind Robert Smith und seine Band-Kollegen plötzlich zu internationalen Superstars geworden. Das 1984 erscheinende Album “The Top” schafft es genau dahin - nämlich in die britische Top 10. Im gleichen Jahr spielen sie 68 Konzerte auf der ganzen Welt.
1986 haben The Cure dann genug Material für ein amtliches Best-Of-Album aller ihrer bisherigen Singles zusammen. Und wenn man an die Chartplatzierung von “Boys Don't Cry” Ende der 70er denkt, hätte man das Lied bei dieser Zusammenstellung vielleicht ja auch einfach ganz dezent unter den Tisch fallen lassen können. Doch tatsächlich hat sich das Lied in der Gothic-Szene zu einem Hit entwickelt und ist fester Bestandteil ihrer Konzerte – meistens wird es als Zugabe gespielt.
Und so landet der Song nicht nur auf “Standing on the Beach: The Singles”, sie veröffentlichen “Boys Don't Cry” sogar noch mal. Doch die Band und ihr musikalischer Stil haben sich über die Jahre in eine eher poppige Richtung entwickelt. Und auch die Aufnahmequalität und die veränderte, weiterentwickelte Stimme von Robert Smith schreien nach einer neuen Version. Also erscheint der Song mit dem Untertitel “New Voice – New Mix” - und entsprechend mit neu eingesungenen Vocals und neuer Mischung. Auch das Plattencover ist ein eindeutiger Wink in diese Richtung – die Soldaten in Schwarzweiß sind verschwunden - dafür eine quietschbunte Plattenhülle mit Sonne, Palmen und Pyramide. Beim zweiten Anlauf geht der The Cure-Song in den meisten europäischen Ländern mindestens in die Top 40, in Deutschland klettert er bis auf die 19.
Seitdem zählt “Boys Don't Cry” zum festen Inventar der 80er: Zigfach gecovert, Titel und Inspiration verschiedenster Bücher und nicht zuletzt auch ein beliebtes T-Shirt-Motiv. Achtet mal drauf: Auf Wave-Festivals und –Konzerten wird euch sicher früher oder später ein “Boys Don´t Cry”-Shirt begegnen.
Aber The Cure haben mit ihrem Lied nicht nur einen großen 80er-Klassiker geschaffen, sie haben auch eine Botschaft in die Welt geschickt, die bis heute viele, aber leider immer noch nicht alle verstanden haben: Auch Jungen dürfen weinen…
Zu fast jedem großen Hit der 80s gibt es eine Geschichte. Und wenn jemand diese Stories kennt, dann Peter Illmann. Im Podcast erzählt er die spannendsten, unglaublichsten und schönsten Geschichten zu den 80s-Hits, die ihr liebt. Jede Woche gibt´s eine neue Folge - viel Spaß!
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