Fine Young Cannibals "She Drives Me Crazy"

Birmingham, 1983. David Steele und Andy Cox sind Teil der britischen Ska-Band The Beat, als eines morgens das Telefon klingelt. Das ist erstmal nichts Ungewöhnliches. Bei einer Band, die zu Beginn der 80er einige Hits hat, wie “Can't Get Used to Losing You”, kann auch schon mal das Telefon klingeln. 

Vielleicht ist es ja die Plattenfirma, mit guten Nachrichten für The Beat? Als einer der beiden den Hörer abnimmt, sind sie mehr als erstaunt. Denn es meldet sich der Buchhalter der Band mit einem für sie ungewöhnlichen Anliegen. Er möchte die Details einer finanziellen Vereinbarung besprechen, für einen neuen Plattenvertrag. 

Ein neuer Plattenvertrag? Die beiden sind irritiert. Davon wissen David Steele und Andy Cox gar nichts. 

Tja, und das auch aus gutem Grund. Denn schnell wird klar, dass es dabei auch nicht um sie geht, sondern um die beiden Leadsänger ihrer Band. Die haben, ohne es dem Rest von The Beat zu erzählen, heimlich eine neue Band gegründet: General Public. 

David Steele und Andy Cox fallen aus allen Wolken – damit haben sie nicht gerechnet. 

Nach ein paar Monaten beschließen die zwei dann, eine eigene, neue Band zu gründen. Ihr Name: Fine Young Cannibals. Und damit sie loslegen können, brauchen sie erstmal einen Sänger. 

Der Weg zum neuen Frontmann wird für Andy Cox und David Steele ein langer und kostet die beiden viel Zeit und Nerven. Sie hören sich insgesamt über 500 Demotapes an – und kein einziger überzeugt sie. Die Hoffnung geben sie trotzdem noch nicht auf. 

Mehr als ein Jahr, nachdem sie die Suche gestartet haben, erinnern sich Andy Cox und David Steele schließlich an einen Mann – nicht wegen seiner Stimme, sondern wegen seiner Bühnenpräsenz: Roland Gift. Er ist Teil der Band Akrylykz, spielt dort Saxophon und ist auch gelegentlich als Sänger auf der Bühne. Ihr Sound: Ska... 

Roland Gift überzeugt Andy Cox und David Steele schnell mit seiner guten Stimme. Dass er ganz nebenbei noch verdammt gut aussieht, kann auch nicht schaden. Roland Gift ist zweifelsohne ein schöner Mann; 1990 wird er gar unter die 50 schönsten Männer der Welt gevotet. 

Die Mischung geht auf. Die Fine Young Cannibals feiern schnell erste Erfolge. Zum Beispiel mit “Johnny Come Home” oder dem Elvis Presley-Cover “Suspicious Minds”. 1987 steuert die Band dann vier Songs zum Film “Tin Men” bei. 

Zu dieser Zeit sind die Fine Young Cannibals in der Musikwelt nicht mehr sonderlich präsent. Das letzte Album liegt schon zwei Jahre zurück, die Bandmitglieder beschäftigen sich mit Nebenprojekten, die Presse spekuliert schon über das Ende der Fine Young Cannibals. 

Nachdem „Tin Men“ zunächst im Kino und dann im Fernsehen gezeigt wird, bekommen die Fine Young Cannibals viele Anfragen: Wo denn das Album zu den vier neuen Liedern bleibe? 

Tja, das gibt es erstmal nicht. Die Fans müssen lange warten. Denn „The Raw & the Cooked“ erscheint erst im April 1989. 

Dass es so lange gedauert hat, könnte auch daran liegen, dass die Fine Young Cannibals unbedingt mit einem ganz bestimmten Musiker zusammenarbeiten wollten: Prince… Gut, wünschen kann man sich natürlich alles Mögliche, realistisch war das natürlich nicht. Das macht ihnen auch das Label schnell klar. Prince nimmt solche Aufträge nicht an. 

Doch immerhin kommen sie stattdessen mit David Z in Kontakt. Der hat in der Vergangenheit bereits mit einigen großen Künstlern wie Billy Idol oder Neneh Cherry zusammengearbeitet – und eben auch an Prince Hit “Kiss” mitgewirkt... 

Die Briten arbeiten sogar in den legendären Paisley Park Studios von Prince – hier soll David ihnen bei ihrem Song „She's My Baby“ helfen. Die Fine Young Cannibals haben zu diesem Zeitpunkt bereits eine ganze Menge Zeit und Arbeit in diesen Song gesteckt, sind aber alles andere als zufrieden. 

Während sie also den Song schon gemeinsam produzieren, ändert Sänger Roland Gift immer wieder den Text ab – irgendwann schraubt er sogar am Titel des Liedes herum – und so wird aus “She's My Baby” schließlich “She Drives Me Crazy”. 

Der große Gamechanger ist allerdings der Moment, in dem Roland Gift etwas macht, das er vorher noch in keinem anderen Song der Band gemacht hat: Er singt ihn mit einem Falsett, also seiner Kopfstimme – und zwar von der ersten bis zur letzten Textzeile - und das überzeugt alle! Doch nicht nur der Gesang macht das Lied besonders - es liegt auch an der Gitarre. Die nehmen sie im Studio gleich sechsmal auf und legen die Spuren übereinander. Und schließlich ist da noch das hier...  

Die Snaredrum, die durch einen Trick bei der Aufnahme so knackig klingt, wie wohl noch nie eine Snare zuvor. Dass die Band zusammen mit David Z. damit einen besonderen Song erschaffen hatte, ahnten sie vermutlich schon im Studio. Dass die Nummer so dermaßen durchstarten würde... eher nicht. In sieben Ländern landet “She Drives Me Crazy” auf Platz 1 der Charts, in der BRD wird das Lied mit Gold ausgezeichnet – und selbst heute klingt der Song noch so frisch, als wäre er gerade erst entstanden... 

Jahr: 1988
Länge: 03:27
Album: The Raw & The Cooked
Label: London Records