Nik Kershaw. Wouldn’t It Be Good. Der größte Blackout der Popgeschichte.
Erster Juli 1985. Es ist der zweitwärmste Tag des Monats im sonst für sein schlechtes Wetter berüchtigten London. 28 Grad, die Sonne knallt – perfekte Bedingungen für das größte Konzert-Event der Geschichte: Live Aid!
Das Wohltätigkeitskonzert für hungerleidende Menschen in Afrika findet zeitgleich auf zwei Kontinenten statt: im John F. Kennedy-Stadium in Philadelphia und im Londoner Wembley-Stadium, das mit 72.000 Zuschauern randvoll besetzt ist.
16 Stunden Non-Stop-Liveprogramm mit dem Who is Who der Pop- und Rock-Szene: Madonna, Tina Turner, Duran Duran... der 20-minütige Auftritt von Queen gilt sogar als einer der besten ihrer gesamten Karriere ...
Die Liste der Stars ist so lang, es ist vermutlich einfacher zu sagen, wer nicht dabei war: Michael Jackson, Bruce Springsteen und Prince. Ansonsten: You name it!
Auch ein 27-jähriger Mann namens Nik Kershaw tritt auf. Damals ist er regelmäßig in den Charts vertreten, unter anderem mit Hits wie „The Riddle“ oder diesem hier: „I Won’t Let The Sun Go Down On Me“.
Obwohl er kein Newcomer mehr ist, schlottern Nik Kershaw an diesem Tag mächtig die Knie. Kein Wunder, denn Live Aid wird weltweit an mehr als 1,5 Milliarden Menschen übertragen. Sein größter Wunsch: „not to fuck up“ ... es nicht versauen.
Vieles an diesem 13. Juli verschwimmt in Nik Kershaws Erinnerung, so überwältigend war das Erlebnis. Doch eine Begegnung bleibt ihm bis heute im Gedächtnis: seine Begegnung mit seinem Idol.
Hinter den Kulissen gibt es einen Shuttle-Service für die Stars. Auch Nik Kershaw wird im Minibus zum Wembley Konferenz-Center gefahren – direkt hinter ihm sitzt... David Bowie!
Nik Kershaw kann kaum glauben, dass er seinem Idol so nahekommt. Er überlegt fieberhaft, wie er den Superstar ansprechen könnte, doch es fällt ihm kein passender Satz ein. Minutenlang sucht er nach den richtigen Worten, doch letztendlich gibt er entmutigt auf und schaut aus dem Fenster.
Doch dieser Moment war nicht Nik Kershaws einziger Blackout an diesem Tag. Es gab noch einen... auf der Bühne. Auch, wenn es zunächst richtig gut läuft. Er hat schon drei Songs gespielt: „Wide Boy“, „Don Quixote“ und „The Riddle“. Doch bei seinem letzten Lied – seinem Mega-Hit „Wouldn’t It Be Good“ – versagen ihm die Nerven.
Nikolas David Kershaw wird 1958 im englischen Bristol geboren. Seine Kindheit und Jugend verbringt er in Ipswich, wo er schon als Zehnjähriger zum ersten Mal auf einer Bühne steht. Nach der Schule macht er eine Ausbildung beim Arbeitsamt, doch seine Leidenschaft ist die Musik. Er bricht seine Ausbildung ab, 1978 schließt er sich der Jazz-Funk-Band Fusion an, die jedoch keinen großen Erfolg hat.
Doch dann wendet sich das Blatt: Er findet einen Manager und erhält einen Plattenvertrag bei einem großen Label. Seine Karriere nimmt Fahrt auf. Sein Debütalbum „Human Racing“ erscheint Ende 1984 und verkauft sich über 350.000 Mal. Darauf enthalten ist natürlich auch „Wouldn’t It Be Good“. Ursprünglich sollte der Song „Wouldn’t It Be Nice“ heißen, doch „nice“, also “nett”, ist ja die kleine Schwester von... ihr wisst schon – und so wird es zu „good“.
Der Nik Kershaw-Song thematisiert ein Gefühl, das wir alle kennen: den Wunsch, einmal im Leben jemand anderes zu sein. „Wäre es nicht gut, mal einen Tag lang in deinen Schuhen zu stecken?“ Doch wenn man die Perspektive wechselt, merkt man, dass die anderen Schuhe auch nicht bequemer sind. Ein wirklich großartiger Song, wie ich finde.
Und genau diesen Song spielt Nik Kershaw jetzt vor großem Publikum bei Live Aid. Milliarden Augen und Ohren sind auf ihn gerichtet. Und dann passiert, wovor der Sänger die ganze Zeit Angst hatte: „Ich erinnere mich an nichts, was ich auf der Bühne gemacht habe“, sagt Nik Kershaw. „Außer an die Angst, dass 1,5 Milliarden Menschen zuschauen, und dass ich verzweifelt versucht habe, keinen Mist zu bauen, und dann doch Mist gebaut habe.“
Obwohl er das Lied schon etliche Male gespielt hat und bereits drei Songs mit Bravour gemeistert hat, hat Nik Kershaw plötzlich einen Blackout.
Der Text müsste hier eigentlich lauten: „The heat is stifling, burning me up from the inside, the sweat is coming through each and every pore.“
Doch diese Worte fallen Nik Kershaw einfach nicht ein. Nik singt einfach noch mal das Ende der ersten Strophe. „Zum Glück habe ich da wenigstens irgendwas gesungen,“ sagt Nik Kershaw über diesen Moment.
Den Zuschauern ist das egal. Die meisten kriegen es nicht mal richtig mit – ganz im Gegensatz zu Nik Kershaw. Für ihn war es so traumatisierend, dass er sich später gar nicht mehr an den größten Auftritt seiner Karriere erinnern kann: „Es ist fast so, als wäre ich nicht dort gewesen, aber ich weiß, dass ich es war, weil es auf YouTube ist.“
In diesem Moment hätte wohl niemand gesagt: „Wäre es nicht gut gewesen, in Niks Schuhen zu stecken?“ Trotz allem bleibt Nik Kershaw ein fester Bestandteil der Popgeschichte der 80er Jahre – und das nicht wegen seines Blackouts bei Live Aid, sondern wegen seiner unvergesslichen Songs...
Jahr: 1984
Länge: 4:02
Label: MCA
Album: Human Racing
Peters Pop Stories
Zu fast jedem großen Hit der 80s gibt es eine Geschichte. Und wenn jemand diese Stories kennt, dann Peter Illmann. Im Podcast erzählt er die spannendsten, unglaublichsten und schönsten Geschichten zu den 80s-Hits, die ihr liebt. Jede Woche gibt´s eine neue Folge - viel Spaß!
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