Warum Sheena Easton den Pop hinter sich ließ
In den 80ern war Sheena Easton eine der größten Pop-Ikonen ihrer Zeit. Sie gewann zwei Grammys, sang einen James-Bond-Song und verschwand dann fast vollständig aus dem Musikgeschäft.
In den 80ern war Sheena Easton eine der größten Pop-Ikonen ihrer Zeit. Sie gewann zwei Grammys, sang einen James-Bond-Song und verschwand dann fast vollständig aus dem Musikgeschäft.
Die Geschichte von Sheena Easton beginnt 1980 mit einer BBC-Dokumentation namens „The Big Time“, in der eine junge Schottin den Traum verfolgt, Popstar zu werden. Das Fernsehen macht sie über Nacht bekannt, ein Plattenvertrag folgt und kurz darauf der erste große Erfolg: „9 to 5 (Morning Train)“. Ein Song, der aus heutiger Sicht fast wie ein Relikt wirkt. Eine Hausfrau, die morgens ihren Mann zum Zug bringt und sehnsüchtig auf seine Rückkehr wartet – das Frauenbild ist fragwürdig, aber typisch für den Übergang von den 70ern in die 80s. Geschrieben wurde der Hit übrigens von einer Frau, Florrie Palmer. Trotz des altmodischen Textes oder vielleicht gerade deshalb wird „9 to 5 (Morning Train)“ 1981 zur meistverkauften Single des Jahres in den USA.
Nach „9 to 5 (Morning Train)“ geht alles rasend schnell. Sheena Easton singt den Bond-Song „For Your Eyes Only“, liefert mit „You Could Have Been with Me“ den nächsten Top-Hit und wird 1982 mit dem Grammy als Best New Artist ausgezeichnet.
Ein paar Jahre später steht sie im Studio mit Prince – einer musikalischen Verbindung, die ihr Image endgültig verändert. Der Song „Sugar Walls“, von Prince geschrieben und produziert, ist sexuell aufgeladen und löst in den USA moralische Debatten aus.
Sheena Easton wird zur Grenzgängerin zwischen Pop-Unschuld und provokanter Erotik. Kurz darauf folgt ihr Gastauftritt in Prince’ Song „U Got the Look“. Doch die Karriere ist nicht nur Glitzer und Studioarbeit.
In Interviews beschreibt Sheena Easton die 80er als „fantastisches, aber verrücktes Jahrzehnt“. In der New York Times sagt sie: „Was mich durch den Wahnsinn dieser Jahre gebracht hat, war mein Instinkt, immer zu den normalen Dingen zurückzukehren. Ich wollte nie anfangen zu glauben, dass das alles echt ist.“
In den frühen 1990ern kommt für Sheena Easton der Moment, an dem sie das Hamsterrad anhalten will. Nach über einem Jahrzehnt voller Tourneen, TV-Shows und Chart-Erfolge entscheidet sie sich, etwas völlig anderes zu tun. 1992 steht sie auf dem Broadway in „Man of La Mancha“. Es ist ihr erster großer Schritt raus aus der Popwelt – und zugleich der Moment, in dem sie erkennt, dass sie nicht ewig auf Bühnen stehen will. „Ich wollte nicht mit 50 oder 60 zurückblicken und denken, ich habe nur Platten gemacht, bin getourt und habe Fernsehen gemacht – rinse and repeat“, sagt sie heute. „Ich wollte mehr vom Leben.“
In dieser Zeit adoptiert Sheena Easton zwei Kinder, Jake und Skylar. Die Musik bleibt wichtig, aber sie verliert die Kontrolle nicht mehr an sie. Ihr Lebensmittelpunkt verlagert sich nach Las Vegas, wo sie eine mehrjährige Show-Residenz spielt – acht Auftritte pro Woche, aber immer mit festen Routinen und Familienleben. „Die Kinder gingen ins Bett, und dann bin ich zur Arbeit. Das hat perfekt funktioniert,“ erinnert sich Sheena Easton.
Für Sheena Easton ist dieser Lebensentwurf kein Rückzug aus Schwäche, sondern ein bewusstes Statement gegen das Popkarussell. Sie sagt in People: „Ich bin offen für kreative Dinge. Aber was ich nicht mehr will, ist der Wahnsinn, der fast zwanghafte Lebensstil, den man als Popstar führen muss. Ich habe das einmal gemacht – ich muss es nicht wieder tun.“ Das klingt nüchtern, ist aber bemerkenswert, weil kaum jemand aus ihrer Generation so konsequent den Schlussstrich gezogen hat. Viele Kolleginnen touren regelmäßig, veröffentlichen neue Musik – Sheena Easton dagegen entschied sich, einfach nicht mehr mitzumachen.
Seit 2000 hat sie kein neues Album mehr veröffentlicht. „Die meisten Leute dachten, ich würde irgendwann zurückkommen. Aber für mich war es ganz leicht, nicht in dieses Leben zurückzukehren,“ sagt sie. Der Ausstieg von Sheena Easton ist kein Absturz, sondern ein sauberer Schnitt. Keine Skandale, keine gebrochenen Verträge, kein öffentlicher Burnout. Denn während viele 80er-Stars ihre Vergangenheit immer wieder neu vermarkten, hat Sheena Easton ihr Erbe längst für sich definiert. Sie tritt nur noch ein paar Mal im Jahr auf, meist auf Retro-Events oder Benefizkonzerten, und genießt ihr Privatleben abseits der Öffentlichkeit.
Im September 2023 stand Sheena Easton gemeinsam mit Taylor Dayne auf der Bühne – ein seltener Auftritt.
2025 hat ihr Label zwei umfangreiche Box Sets veröffentlicht – die das Werk von Sheena Easton neu aufbereiten. Parallel dazu erlebt ihr Song „9 to 5 (Morning Train)“ auf TikTok ein kleines Revival.
Das vielleicht Bemerkenswerteste an Sheena Easton ist, dass sie in einer Branche, die permanente Sichtbarkeit verlangt, das Gegenteil gewählt hat: „Ich lebe ein ganz normales Leben – 99 Prozent der Zeit,“ sagt Sheena Easton. „Und das ist genau das, was ich immer wollte.“