EBM-Band Front Line Assembly kommt nach Deutschland
Die Industrial-Ikonen Front Line Assembly sind 2026 beim M’era Luna Festival angekündigt. Ein seltenes Ereignis, denn diese Band hat die elektronische Dunkelwelt geprägt wie kaum eine andere.
Die Industrial-Ikonen Front Line Assembly sind 2026 beim M’era Luna Festival angekündigt. Ein seltenes Ereignis, denn diese Band hat die elektronische Dunkelwelt geprägt wie kaum eine andere.
Die Bestätigung kam vom M’era Luna Festival selbst: Front Line Assembly treten 2026 in Hildesheim auf. Für viele Fans ist das eine Sensation – schließlich sind Auftritte der Band in Deutschland selten geworden. Dabei ist kaum ein Land so eng mit dem Erfolg dieser Formation verbunden: Hier, in den EBM-Clubs tanzten in den späten 80ern eine ganze Generationen zu Songs wie „Digital Tension Dementia“. Doch wer Bill Leeb kennt, weiß: Nostalgie ist seine Sache nicht. Wenn Front Line Assembly auftreten, dann als Gegenwart – nicht als Rückblende.
Die Geschichte von Front Line Assembly beginnt 1986 in Vancouver. Bill Leeb, damals Bassist bei Skinny Puppy, verlässt die Band, um seine eigene Vision elektronischer Musik umzusetzen. Sein Ziel: ein Sound, der die Kälte der Technologie, die Angst vor der Zukunft und die Wut der Gegenwart in ein präzises Klangsystem verwandelt.
Gemeinsam mit Produzent Michael Balch, später mit Rhys Fulber, beginnt Bill Leeb, Beats zu verschweißen, die klingen, als würden sie von Fabrikrobotern getrommelt. Die frühen Alben „The Initial Command“ und „State of Mind“ (beide 1987) sind noch roh, experimentell – aber sie legen das Fundament für das, was kommt: Musik für eine Welt zwischen Mensch und Maschine. Dass seine Stimme klingt, als würde ihm die Luft ausbleiben- das wird zum düsteren Markenzeichen von Bill Leeb.
1989 erscheint „Gashed Senses & Crossfire“, und alles verändert sich. Front Line Assembly haben ihren Sound gefunden. Der Opener „No Limit“ treibt mit unerbittlichem EBM-Puls, „Digital Tension Dementia“ wird zu einem Clubhit, der weltweit Tanzflächen in Dunkelheit taucht. Bill Leeb hat die rohe Aggression von Skinny Puppy hinter sich gelassen und ein neues System geschaffen: strukturiert, klanglich scharf, inhaltlich dystopisch. Mit „Gashed Senses & Crossfire“ beginnt auch die kreative Partnerschaft mit Rhys Fulber, der den Sound von Front Line Assembly fortan mitdefiniert. Rhys Fulber bringt Tiefe und Atmosphäre in den Industrial-Kern – eine Mischung, die später viele elektronische Acts beeinflussen sollte, zum Beispiel Nine Inch Nails.
In den späten 80ern war EBM (Electronic Body Music) eine definierte Disziplin: stampfende Rhythmen, klare Befehle, Körper in Bewegung. Doch Front Line Assembly brachten eine andere Energie. Bill Leeb und Rhys Fulber setzten auf Atmosphäre, Samples und das Gefühl, dass der Mensch längst Teil der Maschine geworden ist. Während Gruppen wie Front 242 oder Nitzer Ebb mit Körperlichkeit spielten, machten Front Line Assembly im Kopf weiter. Ihre Texte handelten von Überwachung, Informationskriegen und dem Verlust der Kontrolle. Das Ergebnis war ein Sound, der härter, aber zugleich intelligenter klang – weniger „Body“, mehr „Mind“. So wurde „Gashed Senses & Crossfire“ zu einem Bindeglied zwischen EBM und dem, was später als Industrial-Techno, Electro oder Dark Electro weiterlebte.
Parallel zu Front Line Assembly gründeten Bill Leeb und Rhys Fulber 1987 ihr Nebenprojekt Delerium. Die Idee: Ambient statt Aggression, Klanglandschaften statt Kampfmaschinen. Während Front Line Assembly die dystopische Zukunft vertonten, erforschte Delerium das Mystische, das Spirituelle in der Elektronik. Schon 1988 erschien „Faces, Forms & Illusions“, doch erst Mitte der 90er legte das Projekt richtig los.
Obwohl Deutschland für Front Line Assembly eines der wichtigsten Länder ihrer Karriere ist, sind Live-Auftritte hierzulande rar. Die Band spielt meist ausgewählte Festival-Sets – und selbst die liegen oft Jahre auseinander.
Dass Bill Leeb und seine Crew 2026 zum M’era Luna Festival kommen, ist also mehr als nur ein Konzerttermin. Es ist ein Wiedersehen mit einer Szene, die sie geprägt haben – und mit Fans, die ihre Musik nie vergessen haben.
Bill Leeb hat in den 80ern die Kälte zur Kunstform gemacht – und sie nie verloren. Seine Musik war nie nur Tanzfläche, sie war immer Warnung.
Und vielleicht ist das der Grund, warum „Gashed Senses & Crossfire“ heute aktueller klingt denn je: Wie werden Menschen in einer Zukunft mit K.I. leben? Front Line Assembly sind zurück. Nicht, um die Vergangenheit zu feiern – sondern um uns daran zu erinnern, dass Zukunft immer auch Bedrohung bedeuten könnte.