Spandau Ballet. Through The Barricades. Ihr habt unseren Roadmanager getötet.
9. August 1983, kurz nach 17:00 in der Whiterock Road in Belfast. Der 22-jährigen Thomas Reilly steht mit einer Gruppe von Freunden zusammen auf der Straße in der Nähe seines Hauses in der Wohnsiedlung Turf Lodge. Thomas Reilly, von seinen Freunden Kidso genannt, ist bester Laune. Er ist gerade von einem Job auf der "True"-Tour von Spandau Ballet nach Hause gekommen. Fast 50 Auftritte, allein 6 in der BRD, haben die Band und Crew zusammengeschweißt. Thomas Reilly ist Roadmanager und Merchandiser. Obwohl er noch so jung ist, hat er schon viel Erfahrung und auch Bands wie Depeche Mode oder Bananarama begleitet. Die Stimmung zwischen ihm und seinen langjährigen Freunden ist bei dem Wiedersehen ausgelassen. Plötzlich bemerken die Freunde, dass nicht weit von ihnen entfernt ein paar Jungs Streit mit den britischen Sicherheitskräften beginnen. Thomas Reilly weiß, dass es in so einer Situation zwei Möglichkeiten gibt: Eskalation - oder sich schleunigst vom Acker machen. Thomas Reilly ist kein Fan der britischen Besatzer. Aber er sympathisiert auch nicht mit der IRA, der Provisional Irish Republican Arm, die jugendliche Arbeitslose aus seiner Gegend für ihre Terroranschläge rekrutiert. Kidso will einfach keinen Stress. Also geht er mit seinen Freunden die Straße runter, weg vor den Streitigkeiten. Und dann, plötzlich ...
Der gezielte Schuss eines britischen Soldaten durchbohrt seinen Oberkörper. Thomas Reilly bricht zusammen. Er stirbt noch auf dem Weg ins Krankenhaus. Als die Nachricht von Thomas Reillys Tod die Runde macht, sind auch Mitglieder der Band Spandau Ballet geschockt und traurig.
Zwei Jahre später. Spandau Ballet-Gitarrist Gary Kemp unternimmt eine Reise nach Nordirland. Dort zeig ihm der Bruder des verstorbenen Thomas Reilly die Grabstelle des jungen Kidso in der Belfaster Falls Road. Auf dem Weg dorthin müssen sie durch eine hochgesicherte Zone. Gary Kemp erinnert sich: "Ich sah die Barrikaden, die ganze Straßenzüge trennten. Auf der einen Seite Protestanten, gegenüber Katholiken. Auch wenn ich dabei noch nicht an einen konkreten Song dachte, ich war tief bedrückt von der Situation."
Die Bilder der Barrikaden verfolgen Gary Kemp, lassen ihn nicht mehr los. Ein Jahr später zieht er mit der Band nach Dublin, wo Spandau Ballet in Ruhe neue Songs zu schreiben wollen. Die Band quält sich dort monatelang durch das Songwriting. Wenn immer er eine Pause braucht, liest Gary Kemp Bücher über die Konflikte in Irland. Dann, nach langer Schreibblockade, werden aus seinen Erfahrungen in Belfast ein Song. In nur einer Nachtbis früh am Morgen schreibt Gary Kemp "Through The Barricades": "Der Song hat sich in einer Nacht wie von selbst geschrieben... und auch wenn er nicht explizit von Thomas Reilly handelt, sondern eine Romeo & Julia-Geschichte ist, spielt er in einer Welt, wo Menschen, wegen Politik, ihre Beziehungen nicht leben können."
Für Gary Kemp wird "Through The Barricades" ein absolutes Herzensprojekt. Er sorgt sich, dass Sänger Tony Hadley den Song nicht richtig hinbekommen könne. Die Band steht damals an einem Scheideweg. Die Jungs, die nun seit fast zehn Jahren zusammen sind, haben 1976 als Punk-inspirierte Band begonnen. Dann spielen sie lupenreinen New Wave... um später souligen Pop aufzunehmen. Das sind viele Veränderungen und Kompromisse. Und da ist auch eine gehörige Portion Frust.
Gary Kemp quält den Sänger Tony Hadley durch etliche Aufnahmesessions. Der neue Produzent der Band erkennt, dass Tony Hadley davon gehörig gestresst wird. Also greift der Produzent zu ungewöhnlichen Mitteln. Er lässt im Studio aus Stoffbahnen eine Art Zelt aufbauen. Dort soll sich Tony Hadley entspannen können. Es werden Kerzen entzündet, Tony Hadley bekommt eine Liege gestellt. Teilweise singt er sogar liegend. Aber das hilft nicht: er spürt die abschätzenden Blicke seiner Bandkollegen hinter der Studioscheibe. Nach jeder Textzeile greift Gary Kemp ein. Korrigiert ihn. Irgendwann rastet der Sänger aus: "So, ich bin jetzt raus. Ich übe im Hotel. Wenn ich bereit bin zu singen, werde ich es euch sagen. Und dann will ich alleine im Studio sein!"
Am Ende lohnt sich der Stress. "Through The Barricades" wird nochmal ein großer Hit für die Band, fast schon ein Comeback, nachdem sie mit "Gold" und "True" 1983 große Hits gehabt hatten. Es ist wie ein Aufbäumen, bevor Spandau Ballet dann endgültig ihre Chart-Relevanz verliert. Wohl auch deshalb gilt "Through The Barricades" innerhalb der Band als wichtigstes Werk.
Der Spandau Ballet-Bassist Martin Kemp hat dies kürzlich in einem Interview bestätigt: "Eine meiner schönsten Erinnerungen bei Spandau Ballet ist das erste Mal, als wir 'Through The Barricades' in Belfast spielten. Mir wurde plötzlich klar, dass das Lied den Menschen in Nordirland gehört."
Peters Pop Stories
Zu fast jedem großen Hit der 80s gibt es eine Geschichte. Und wenn jemand diese Stories kennt, dann Peter Illmann. Im Podcast erzählt er die spannendsten, unglaublichsten und schönsten Geschichten zu den 80s-Hits, die ihr liebt. Jede Woche gibt´s eine neue Folge - viel Spaß!
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