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Juckreiz
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Juckreiz
25.06.2025

Wie Juckreiz die DDR-Musikszene aufmischte und polarisierte

Die DDR-Band Juckreiz wurde vor 45 Jahren in Magdeburg gegründet. Mit schrillen Texten und Wave-Sound galten sie als Ost-Pendant zur Neuen Deutschen Welle – noch bevor diese den Osten erreichte.

UKW mit Ich will

NDW

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Ein eigenes Radio für den Sound der Neuen Deutschen Welle.


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Wie konnten Juckreiz zum Synonym für die „DDR-NDW“ werden?

Als Anfang der 80er durch das West-Radio auch in der DDR die NDW die Musikfans erreichte, da hatten sich in Magdeburg längst fünf Musiker zu einer Formation zusammengefunden, die eine Kombination aus modernem Pop und Reggae spielte. Die fünf um ihre charismatische Sängerin Marion Sprawe hatten sich den Namen Juckreiz gegeben. Was heute witzig und unproblematisch klingt, war selbst um 1980 in der DDR noch nicht selbstverständlich. Immerhin steht Juckreiz für etwas Unangenehmes, Krankes und damit Negatives. Etwas, was man im nach vorn gerichteten und positiv denkenden Arbeiter- und Bauernstaat nicht gerne sah. Aber Punk und New Wave hatten auch die Musikszene der DDR erfasst und auch hier gab es genügend Probleme, die zwar anders als im Westen, aber ebenso nicht zu übersehen waren. Vor 45 Jahren, im Sommer 1980, fanden sich nun in Magdeburg Juckreiz zusammen, um mit ihrer neuen Musik ein bisschen das Jucken im musikalischen Establishment zu kratzen.

Juckreiz FKK 1983 Germany locked
Juckreiz FKK 1983 Germany locked

Zwischen System und Subkultur: Juckreiz erobert die Jugend

Als ein Glücksgriff dürfte für die Formation aus der Börde das Überschwappen der in der Bundesrepublik ab 1981 etablierten NDW gewesen sein. Juckreiz nahm sich dieser an und künftig sollte es im Stile von Ideal, Nina Hagen oder UKW durch die sozialistische Republik gehen. Den ersten offiziellen Auftritt hatten Juckreiz am 27. April 1982 im Magdeburger „Flora-Club“. Schnell wurden Kulturobere auf die junge Band aufmerksam, denn auch denen war nicht entgangen, dass sich die DDR-Jugend zu den westlichen NDW-Bands hingezogen fühlte, schon deshalb wollte man was Eigenes, sozusagen einen Gegenentwurf bieten und diesen Trend gleichzeitig bedienen.

Schnell entwickelten sich Juckreiz zu einem Publikumsliebling. Ähnlich wie in der Bundesrepublik, gab es aber für die jungen Bands noch wenige Möglichkeiten, sich in einem entsprechenden Rahmen ihrer Zielgruppe zu präsentieren. War es im Westen die alte ZDF-Hitparade, die von NDW-Formationen aufgemischt wurde, taten das Juckreiz beim eher biederen Schlagerfestival „Goldener Rathausmann“ in Dresden, wo die Magdeburger 1983 den zweiten Platz erreichen konnten.

Auch ihr Song „FKK“ wurde schon bald in Musik-TV-Sendungen präsentiert und 1983 zu einem vielgespielten Lied im DDR-Jugendradio. Und ganz ehrlich, wer die Nummer heute hört, kann sich nicht sicher sein, ob es sich um einen NDW-Song aus der Bundesrepublik oder eine damals frische DDR-Version handelt. Die erotischen Anspielungen im Text dürften den staatlichen Stellen für die Zulassung schon einige Kopfschmerzen bereitet haben.

Heute schon für den 80s80s Countdown abgestimmt?

Impro im Stadtpark 2009 - Juckreiz - FKK
Impro im Stadtpark 2009 - Juckreiz - FKK

Der Begriff NDW spielte in der DDR offiziell keine Rolle

Wenn doch, dann wurde er in den Medien eher spöttisch behandelt, wurde doch immer wieder gern betont, dass in der DDR schon immer moderne deutschgesungene Pop- und Rockmusik gemacht wurde und jetzt erst der Westen das für sich als neu entdeckt, nachdem die Jugend über Jahre mit englischer Musik gefüttert worden war. Mit dem zusätzlichen Hinweis, dass sogar deutsche Musiker in der Bundesrepublik mehrheitlich ihre Texte in Englisch sangen, um mehr Erfolg zu haben. Trotzdem kam auch die DDR-Musikbranche um das Phänomen NDW nicht herum. Plötzlich fingen selbst etablierte Rocker wie die Puhdys an, diese Richtung einzuschlagen. Dafür wurde Schlagzeuger Klaus Scharfschwerdt, der jüngste aus dem Kreis der „Alt-Rocker“, nach vorn geholt und durfte als Lead-Sänger den NDW nachempfundenen Song „TV-Show“ mit viel Synthi-Einsatz präsentieren.

Die Jugend von Ahlbeck bis Zittau wollte aber bei der NDW neben den West-Bands eher die jungen frechen Texte von Ost-Bands wie Juckreiz hören. Und frech waren die Texte allemal, wenn man sie mit dem Verständnis der DDR betrachtet. Denn mehr und mehr richteten auch die staatlichen Verantwortlichen ihre Aufmerksamkeit auf die Sätze in den Liedern von Juckreiz. Die wurden nun verstärkt auch sozialkritisch. Songs wie „Berlin, Du wirst uns zu teuer“, „Marionetten“ oder „Nachrichtensprecher“ ließ den Musik-Wächtern die Wut-Röte ins Gesicht steigen. Was im Westen mit einem Achselzucken quittiert worden wäre, galt in der DDR schon als staatsgefährdend. Juckreiz drohte sogar der Entzug der Spielerlaubnis, was das Ende der Formation bedeutet hätte. Sängern Marion Sprawe, anders als viele ihrer West-Kollegen, mit einer professionellen Gesangsausbildung in der Tasche und für viele Texte von Juckreiz mitverantwortlich, wechselte bald zur Formation Smokings Rockshow, die sich nach dem Abflachen der NDW wieder mehr der deutschen Rockmusik hinwendete.

Für Juckreiz bedeutete das keineswegs das Ende. Mit neuer Sängerin ging es weiter und nach der Wende konnte man endlich mit den NDW-Stars aus dem Westen wie Markus, UKW, Geier Sturzflug oder Frl. Menke, die man ja nur aus TV und Radio kannte, gemeinsam auf Tour gehen. Selbstbewusst und etwas scherzhaft nannte man sich die „Beste NDW-Band der Welt“. Bis heute haben Juckreiz ihre Auftritte. Ex-Leadsängerin Marion Sprawe hingegen war bis zur Wende noch im Duo Helle Farben aktiv und produziert heute mit ihrem ehemaligen Smockings-Kollegen Ali Kirfe, der auch ihr Lebenspartner ist, in Berlin Songs für aktuelle Künstler.

Juckreiz – FKK (1983)

Juckreiz – "FKK" (1983)
Juckreiz – "FKK" (1983)

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