Schreibblockade, aber keine Leseblockade!
Matthias Ernst hatte in den 80ern mit "Wissenswertes über Erlangen" einen kleinen Hit. Dafür gab es sich eine Künstlernamen, unter dem er noch heute die Gemüter bewegt: Max Goldt.
Matthias Ernst hatte in den 80ern mit "Wissenswertes über Erlangen" einen kleinen Hit. Dafür gab es sich eine Künstlernamen, unter dem er noch heute die Gemüter bewegt: Max Goldt.
"Ich glaube aber nicht, dass es dadurch besser wird, indem man in jedem Interview betont, dass man eine Schreibblockade hat."
Dieses Zitat stammt von Max Goldt – alias Matthias Ernst – im Gespräch mit dem österreichischen Journalisten Peter Fässlacher. Und es sagt viel über die Art, wie Max Goldt seine angebliche Unproduktivität behandelt: mit jener gelassenen Ironie, die sein Werk seit den 80ern prägt. Denn schreiben kann er ja eigentlich immer noch – nur keine Romane. Und wenn ihm gerade nicht nach Prosa ist, liest er eben vor.
Das Thema Schreibblockade ist bei Max Goldt ohnehin mit Vorsicht zu genießen. Seit 2010 kokettiert er damit, weniger zu schreiben. Tatsächlich erscheinen weiterhin Hörbücher, Comics (zusammen mit Stephan Katz als "Katz & Goldt") und neue Lesungen. Die "Blockade" betrifft also eher das klassische Literatensein – nicht aber die große Bühne, auf der er regelmäßig steht. Lesen kann er schließlich noch, wie er augenzwinkernd sagt.
Zurück in die frühen 80er, in eine Zeit, als Max Goldt noch als Stadtführer durch Westberlin kurvte und mit Gerd Pasemann die Band Foyer des Arts gründete. Aus dieser Phase stammt der wohl bekannteste Song des Duos: "Wissenswertes über Erlangen" – ein ironisch-minimalistisches Meisterwerk über nichts weniger als... eine Bustour. Genauer: die touristische Rhetorik des Nichtssagens.
Max Goldt nutzt darin seine Erfahrung als Fremdenführer, um in rhythmisch-spießiger Sprache eine Rundfahrt zu simulieren, die inhaltsleerer kaum sein könnte: "Diese Seite Erlangens ist weithin unbekannt."
Der Clou? Erlangen selbst ist völlig austauschbar – der Name wurde gewählt, weil er klanglich zweideutig ist ("erlangen" als Verb). Inhaltlich spielt der Text mit der Belanglosigkeit, mit Worthülsen und scheinbarer Bedeutung – ein Kunstgriff, den Max Goldt später literarisch perfektionieren sollte.
Der Song, der mit Möwengekreisch und Nebelhorn beginnt – ein absurder Seefahrts-Sound für das landlocked Erlangen – wurde 1982 überraschend zum Chart-Erfolg, unter anderem durch Auftritte in der ZDF-Hitparade. Dass die Band dabei wie Aliens in der NDW-Welt wirkte, dürfte Teil des Charmes gewesen sein.
Schon ein Jahr zuvor hatte "Eine Königin mit Rädern untendran" für Aufsehen gesorgt. Der Song verbindet absurde Bilder mit musikalischem Understatement. Eine Monarchin, die durchs Land rollt? Bei Foyer des Arts ergibt das sogar Sinn. Song war ein Minihit, brachte der Band einen großen Plattenvertrag ein – und jede Menge Missverständnisse. Denn die Plattenfirma wollte Foyer des Arts als NDW-Act vermarkten. Doch das Duo verweigerte sich dieser Strategie. Als keine weiteren Chartplatzierungen folgten, fror das Label den Vertrag ein. Das fertige Album "Guter Reisewind" durfte nicht erscheinen. Erst 1986 – nach Ende des Vertrags – meldeten sich Max Goldt und Gerd Pasemann mit "Die Unfähigkeit zu frühstücken" zurück.
Nach dem Ende von Foyer des Arts widmete sich Max Goldt der Literatur – genauer: dem literarischen Sprechen. Seine Kolumnen für die Titanic, seine Bücher und Hörbücher machten ihn zum Kultautor. Dass er keine Romane schreibt, sondern lieber absurde Minitexte, ist nur konsequent.
Max Goldt lebt nicht in Erlangen, sondern natürlich in Berlin. Er produziert Hörbücher und geht regelmäßig auf Lesereise. Ein fester Bestandteil seines Repertoires: Live-Lesungen seiner Comics. Wer Max Goldt live erlebt, hört mehr als nur Texte. Es ist eine Art Performance, bei der Sprache selbst die Hauptfigur ist. Seine Stimme, sein Timing, seine leise Autorität – das macht Max Goldt zu einem der wenigen Künstler, die ihre eigenen Texte nicht nur interpretieren, sondern neu erschaffen.
Foyer des Arts waren nie eine typische NDW-Band. Und Max Goldt war nie ein typischer Popstar. Schreibblockade hin oder her: Max Goldt bleibt eine Instanz – als Musiker, Kolumnist, Performer. "Eine Königin mit Rädern untendran" und "Hubschraubereinsatz" sind die 80s80s-Tipp, für alle Fans, die etwas genauer hinhören wollen. Übrigens: "Hubschraubereinsatz" könnte auch als HipHop-Frühwerk durchgehen. Foyer des Arts waren ihrer Zeit einfach weit voraus.