Am 19. Juli 1988 absolvierte Bruce Springsteen das größte Konzert seiner Karriere – und das größte, das je in der DDR stattfand. Vor 160.000 Zuschauern trat Bruce Springsteen auf der Radrennbahn Weißensee auf.
Der Autor und Konzertbesucher Erik Kirschbaum erinnert sich in der Zeitschrift "Rolling Stone" an den Tag:
Schon am Vormittag, sieben Stunden vor der Show, hatten sich die Zuschauer auf den Weg gemacht. In Weißensee, einem Wohnbezirk im Norden von Ost-Berlin, sollte am 19. Juli 1988 das größte Popkonzert stattfinden, das die DDR je erlebt hatte. Es war ein schwülwarmer Tag mit Temperaturen um die 30 Grad, und Zehntausende harrten schon ungeduldig am Eingang aus, als um 14 Uhr 10 endlich die Tore geöffnet wurden. Die Stasi mischte sich natürlich auch unters Volk und gab später zu Protokoll, dass um 16 Uhr – drei Stunden vor Konzertbeginn -bereits 50.000 Zuschauer anwesend waren.
Der Austragungsort war eigentlich nichts anderes als ein planes Gelände ohne vernünftige Infrastruktur. Es gab nur einen großen Video-Screen, der 70 Meter vor der Bühne installiert worden war, damit die Zuschauer am hinteren Ende des Platzes zumindest noch eine vage Vorstellung hatten, was vorne auf der Bühne passierte. Zwei kleinere Screens waren zusätzlich an der Seite der Bühne angebracht. Es war vergleichsweise krudes Equipment, da es zur Zeit des Kalten Krieges ein Ding der Unmöglichkeit war, moderne Technologie auf die andere Seite der Mauer zu schaffen. Die örtlichen Veranstalter hatten also improvisieren müssen – und dabei bemerkenswertes Talent bewiesen: Die Bühne beispielsweise war mit Hilfe von Metallelementen errichtet worden, die eigentlich zum Bau einer Stahlbrücke in einer anderen Stadt eingeplant waren. Vor die Aufgabe gestellt, die Sound-und Video-Systeme zu synchronisieren, waren aber auch sie überfordert. Zu Anfang des Konzerts liefen Bild und Ton leicht zeitversetzt – ein Zustand, der bei Bruce Springsteen nicht gerade für Begeisterung sorgte. Das Publikum störte sich nicht daran -die Leute waren gekommen, um Bruce Springsteen zu erleben. Und sie ließen sich dabei von organisatorischen Mängeln nicht beirren.
Die DDR-Organisatoren räumten später ein, dass mindestens 200.000, vielleicht auch 300.000 Zuschauer auf dem Gelände waren. Andere Schätzungen gehen sogar von bis zu 500.000 Menschen aus. Roland Claus behauptet jedenfalls, dass es die größte Menschenmenge gewesen sei, die je in der DDR zusammengekommen ist – und dass die offiziellen Schätzungen aus gutem Grund dahinter zurückblieben. Claus ist heute Bundestagsabgeordneter der Linken, 1988 war er als FDJ-Funktionär für die Sicherheit beim Bruce Springsteen-Konzert zuständig. „Es waren damals wahrscheinlich 300.000 Menschen oder mehr“, erinnert er sich. „Aber diese Zahl konnte nicht kommuniziert werden, weil wir keine Genehmigung hatten, so viele Leute auf das Gelände zu lassen. Hätten wir eine realistische Zahl veröffentlicht, hätten wir Ärger bekommen.“