Live Aid-Künstlerinnen aus dem Jahr 1985
Queen Productions Limited / Maryanne Bilham / WMG / Gary Burden / Simon Fowler / Jimmy King / Joseph Guay / Eva Rinaldi, CC BY-SA 2.0
Live Aid-Künstlerinnen aus dem Jahr 1985
13.07.2023

Live Aid - Megakonzert mit Schönheitsfehlern

Vor 38 Jahren saßen alle Musikliebhaber vor den Fernsehgeräten. Klassische Rockmusik dominierte, Frauen kamen kaum zu Wort und die Jugend vermisste den neuen Sound der 80er.

The Human League mit Don't You Want Me (Live - Live at the Dome 2003)

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Es läuft:
The Human League mit Don't You Want Me (Live - Live at the Dome 2003)
Band Aid "Do They Know It's Christmas?"
Band Aid "Do They Know It's Christmas?"

Mit "Do They Know It's Christmas" fing 1984 alles an

Am 15. November 1984 strahlte der englische Fernsehsender BBC eine Reportage über die Hungersnot in Äthiopien aus. Zu den Millionen Zuschauern am Fernsehschirm zählte auch Bob Geldof. Gleich am nächsten Tag soll er zum Telefon gegriffen haben und seinen Freund Midge Ure von Ultravox angerufen haben. Die Idee: Ein Benefiz-Song, dessen komplette Einnahmen an die Hungernden in Afrika gehen sollten. Midge Ure sagte sofort zu.

Dann ging alles ganz schnell: Am 25. November 1984 – also nur zehn Tage nach der Fernsehreportage – fanden die Aufnahmen zum Weihnachtshit "Do They Know It's Christmas" von Band Aid statt. Die Initiatoren Bob Geldof und Midge Ure wollten die Dynamik und Erfolg von Band Aid danach weiter nutzen. Band Aid wurde die Grundlage für Live Aid.

Musikgeschichte

Live Aid am 13.07.85

Alle Musikliebhaber wissen noch heute, wo sie waren, als Live Aid, das riesige Wohltätigkeitskonzert zu Gunsten der Hungerregionen Afrikas, am 13. Juli 1985 stattfand. Die Konzerte haben Musikgeschichte geschrieben. Bob Geldof und Midge Ure haben ohne Zweifel mit der Organisation von Live Aid die Welt zu einem besseren Ort gemacht. Und knapp zwei Milliarden Menschen in 150 Ländern schauten dabei zu.

Midge Ure
BMG
Midge Ure
Midge Ure
BMG
Midge Ure
Rod Stewart
Universal Music • Squelle, CC BY-SA 3.0
Rod Stewart

Weshalb war Rod Stewart nicht dabei?

Aus heutiger Sicht ist es noch unglaublicher, dass diese Ballung an Künstlern tatsächlich alle an einem Event teilnehmen konnten, denn es gab natürlich kein Internet. Die logistischen Herausforderungen waren massiv. Erst kürzlich offenbarte Rod Stewart seine neue Sichtweise auf Live Aid, denn Rod Stewart war 1985 nicht dabei gewesen. Seit den 80ern gab es dazu eine Entschuldigung, nämlich dass Rod Stewart es einfach nicht geschafft habe, für den Auftritt eine Band zusammenzustellen. Tatsächlich war Live Aid für viele Musiker ein logistischer Alptraum. Touren mussten ungeplant werden, Bands über den halben Globus geflogen werden, da klang die Entschuldigung von Rod Stewart selbst für Fachleute plausibel. Zwar hat Rod Stewart kürzlich in einem Interview mit der britischen BBC diese Darstellung verworfen, und seinen damaligen Manager schwer belastet. Die Logistik war dennoch eine der großen Hürden bei Live Aid. Teilweise ging das auch sehr zu Lasten der Performances einzelner Bands.

ROD STEWART: "DARÜBER HÄTTE ES KEINEN STREIT GEBEN SOLLEN"

Sicht auf die Live Aid-Bühne im John F. Kennedy Stadion in Philadelphia
Squelle, CC BY-SA 3.0
Sicht auf die Live Aid-Bühne im John F. Kennedy Stadion in Philadelphia

War "Live Aid" wirklich eine gute Werkschau der Popmusik Mitte der 80er?

Bei allen Geschichten, die sich um die Logistik drehen, und bis heute noch gerne breit diskutiert werden: rückblickend wird die Liste der aufgetretenen Bands durchaus auch mal kritisch hinterfragt. War "Live Aid" wirklich eine gute Werkschau der Popmusik Mitte der 1980er? Und haben Bob Geldof und Midge Ure genügend Frauen auf die Bühne geholt?

Das Line-up zeigte 1985 deutlich, wie verschieden der Musikgeschmack auf beiden Seiten des Atlantiks war. Bob Geldof und Midge Ure mussten da einen echten Spagat der Genres machen. In Europa war New Wave zwar am ausklingen, aber Rock und Gitarren waren hier dennoch nicht so gefragt. In Deutschland war Stadionrock der Sound der alten Männer. Während also in den Discos die ersten Synthie-Techno Songs gespielt wurden, traten im John F. Kennedy Stadium in Philadelphia die Rockdinos der Zeit auf: Black Sabbath, REO Speedwagon, Judas Priest, The Beach Boys, Santana, Neil Young, Eric Clapton, Led Zeppelin und Mick Jagger. Duran Duran, Madonna, die Simple Minds und die Thompson Twins waren dabei die "jungen Wilden". Trotz der ultimativen Größe dieses Line-ups wirken die Bands aus europäischer Sicht angestaubt.

In London (Webley Stadium) wurden auch alte Herren auf die Bühne geladen: The Who, David Bowie und Status Quo standen genau dafür: den Status Quo.

Aber ein paar junge Gesichter hatten sich auf die Bühne schleichen können und begeistern die Teenager vor den Bildschirmen: Adam Ant, Sade, Howard Jones und The Style Council konnten zeigen, dass britischer Pop durchaus auch neue Wege gehen konnte. Die Band Ultravox vom Co-Initiator Midge Ure war natürlich auch dabei. So auch die Band seines Mitstreiters: die Boomtown Rats von Bob Geldof.

Bühne und Publikum beim Live Aid Konzert in Philadelphia & Backstage-Pass vom Live Aid Konzert in London
IMAGO / MediaPunch / United Archives International
Bühne und Publikum beim Live Aid Konzert in Philadelphia & Backstage-Pass vom Live Aid Konzert in London

Der Vorwurf: Nur alte weiße Männer und zu wenige Frauen!

Der Vorwurf damals, und mehr noch heute: Bob Geldof und Midge Ure hätten fast nur alte weiße Männer auf die Bühne gebracht. Wenig junge Alternativen, viel zu wenige Frauen und schon gar keine Band aus Afrika. Tatsächlich waren Run DMC unter den wenigen Künstlern, die neue musikalische Richtungen repräsentierten. Später wurde zudem bekannt, dass Bob Geldof die Teilnehmer gebeten hatte, keine neuen Singles zu promoten, und stattdessen lieber auf die großen Hits zurückzugreifen. So kam es dazu, dass ein deutlicher Teil der Songs der Live Aid-Auftritte aus den 70ern stammte.

20 Jahre nach den spektakulären Benefizkonzerten in London und Philadelphia organisierten Bob Geldof und Bono von U2 am 2. Juli 2005 die Veranstaltung Live 8. Die Veranstalter hatten aus den Fehler gelernt. Die Konzerte fanden - um sie logistisch besser zu bewältigen - dezentral statt (so auch in Berlin und Johannesburg) und bei der Auswahl der Bands wurde mehr Wert auf Diversität gelegt.

Midge Ure war bei Live 8 nicht mehr dabei. Dass Bob Geldof in der allgemeinen Erinnerung eine größere Rolle bei Live Aid gespielt habe, ärgert ihn nicht. "Es ist okay, dass er Sir Bob Geldof geworden ist, und ich nicht. Ich fühle mich dabei wie ein Lehrer, der sich über den Erfolg seiner Schüler freut." Neid über die fehlende Anerkennung seiner Leistung würde wohl anders klingen.

Bei aller Kritik bleibt Live Aid dennoch das ikonische Kontert der 80er. Bob Geldof glaubt sogar, dass Live Aid in dieser Form nicht mehr durchführbar sei. Dem Londoner Stadtmagazin Metro sagte er kürzlich:

Solche großen Bewegungen sind heute nicht mehr möglich, das Internet hat die Gesellschaft in eine Ansammlung von Individualisten verwandelt. Das ist alles heute doch nur noch Cyber-Masturbation.
Bob Geldof

David Bowie - Heroes (Live Aid, 1985)

David Bowie - Heroes (Live Aid, 1985)
David Bowie - Heroes (Live Aid, 1985)

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